4.3.07

Und wieder fange ich an zu schreiben, wenn es wieder mal unzumutbar schlecht zugeht in der gegenwärtigen WG. Die letztjährige habe ich zwar hinter mir gelassen, wohne aber nun wieder mit Leuten zusammen, die meine Theorie bestätigen, dass WGs aufgrund von externen Effekte nicht funktionieren können.

Diese Theorie ist eine der interessantesten, die mir seinerzeit Herr Bofinger und Herr Winter beigebracht haben, und die wie das Höhlengleichnis von Plato oder wie "piget, pudet, paenitet" sich irgendwo fest in meinem Gehirn verankert haben. Es geht im Grunde darum, dass Kosten und Nutzen sich nicht entsprechen. Wenn zum Beispiel jemand in London zusammen mit vier anderen Mitbewohnern eine Wohnung, d.h. Küche und Flur teilt, treten positive und negative externe Effekte auf:

1. Negative externe Effekte: Die privaten Kosten sind niedriger als die sozialen Kosten.
Wenn zum Beispiel Tia, die Amerikanerin aus Virginia ("Was ist Oslo? Ist das ein Land?") und Lorna (Dauerpyjamaträgerin aus England) ihr Geschirr am liebsten unabgespült viele Monde lang vor sich hinreifen lassen, sind die privaten Kosten für die Verursacher eigentlich null. Schließlich manifestiert sich in dieser Haltung auch die hohe Toleranz der Akteure gegenüber Spülbeckengebirgen und einhergehendem Esswerkzeugsmangel. Die sozialen Kosten dagegen sind größer null, da die anderen Mitbenutzer der Küche hohe Kosten zu tragen haben: Diese äußern sich im Vermeiden der Küche, im erhöhten Energieverbrauch für den Ausdruck der Missbilligung bis zur handfesten Androhung des Wohnheims, für die professionelle Reinigung aufkommen zu müssen.
In solchen Situationen kommt es dadurch zu einem übermäßigen Konsum des betroffenen öffentlichen Gutes (hier: Küche und Geschirr, zu dem der Zugang nicht eingeschränkt werden kann), da die Benutzer nicht vollständig für die Kosten aufkommen müssen. Diese werden nämlich durch vier geteilt.

2. Positive externe Effekte: Der privaten Nutzen ist kleiner als der soziale Nutzen.
Man stelle sich vor, dass beispielsweise Tia, die Amerikanerin aus Virginia ("Ich brauche keinen Mann, ich habe doch Jesus, der mich liebt.") die Idee hat, die Küche gemeinschaftlicher zu benutzen, d.h. alles in der Küche zu teilen. Durch Lobbyarbeit und die durch Harmoniebedarf geschwächte Verhandlungsposition der Mitbewohner wird diese Praxis zunächst eingeführt. So macht der Gemeinschaftskühlschrank seinem Namen alle Ehre und wird regelmäßig mit Milch bestückt und das Spülmittel periodisch ersetzt. Jeder trägt abwechselnd zum Gemeinschaftsgut bei, was zu einem verstärkten Gemeinschaftsgefühl und zur Kostenersparnis führt (weil z.B. die Milch in größeren Mengen und somit billiger erworben werden kann).
Die Theorie ist aber leider zum Scheitern verurteilt aufgrund obengenannter positiver externer Effekte. Der private Nutzen gemeinsam gekaufter Milch besteht aus dem Anteil am Milchkonsum und aus der Kostenersparnis durch gemeinsamen Kauf. Nun gibt es aber ein Problem: Bestimmte WG-Bewohner kaufen regelmäßig Milch ein, wenn diese leer ist, da sie Wert auf Milchkonsum legen und an die Anschaffung denken, damit der Milchkonsum nicht unterbrochen wird. Der mangelnde Anreiz, den Kaufakt auszulösen führt aber dann zum Kollaps des Abkommens. Der Nutzen, den der Käufer von der Investition hat, ist kleiner als der soziale Nutzen, d.h. der Nutzen aller WG-Mitbewohner. Durch Trittbrettfahren zerstört sich das System von selbst, da regelmäßige Käufer konsequent weniger Nutzenzuwachs erfahren und damit nicht mehr weiter investieren wollen. Niemand möchte dauernd für andere mitzahlen.


Deswegen: Eine WG funktioniert meiner Meinung nach nicht, da es einerseits zum Überkonsum von öffentlichen Gütern (Geschirr, Küche, Teppich, Strom, Wasser, Spülmittel,...) kommt und gleichzeitig eine Unterfinanzierung dieser Güter (niemand will in gemeinsam Genutztes investieren) herrscht.
Die einzige Möglichkeit ist, dass eine sog. Internalisierung der Kosten stattfindet, dh. Benutzer von öffentlichen Gütern müssen entweder so überwacht werden, dass die anteilsmäßigen Kosten erfasst werden können (was nicht möglich ist) oder die Bewohner müssten soviel Respekt und Achtung voreinander haben, dass ein Überkonsum und der daraus folgende Verlust an Sympathie psychische Kosten verursacht. Das geht zum Beispiel mit Familie, Freunden oder auch mit Leuten, die Respekt haben.

Hat jemand verstanden, was ich mir eigentlich genau von der Seele schreiben musste?

3 comments:

Anonymous said...

jepp ich habs kapiert (obwohl doch der BWLer aus dir spricht). Musste mir nur deine Küche bildlich vorstellen.
Ich hab aber noch eine Theorie: Je größer die Anzahl der Mitbewohner ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit,dass es nicht klappt. Wenn eine WG nur aus zwei Menschen besteht, ist klar, wer für was verantwortlich ist. Wenn ich beispielsweise Schamhaare in der Dusche finde, und an meinem Geruch merke, dass ich seit Jahren nicht geduscht hab, MUSS es mein Mitbewohner gewesen sein. Keiner kann was auf den anderen schieben und deswegen gibt man sich mehr Mühe...jaaa hat aber sehr viel mit Respekt zu tun.
gnaaa....chrrrr...aus

Anonymous said...

ich hab's auch verstanden. höchst unterhaltsam, erinnert mich an schimmelnde kochtopfberge vor martins tür damals....

Anonymous said...

Das erinnert mich an Hardins Tragedy of the Commons mit den privaten Schafen und der gemeinsamen Weide. Ich frage mich nur, was wäre, wenn die Schafe nicht privatem, sondern gemeinsamen Besitz angehörten.

Aber ich wohne momentan in einer WG, wo das alles ziemlich zu funktionieren scheint. Womöglich kommt es auf die Mitbewohner an, die müssen sorgsam selektiert sein. Da ist Tia mit ihrer Germophobie wohl die falsche.

Ich hab übrigens den Plastiklöffel, den Nada gleich nach Verzehr ihres Germmais weggeworfen hat wieder aus dem Müll herausgezogen.